Kunst schaffen ist mir ein Bedürfnis. Ich beginne an einem Punkt, einer Ahnung, einem Gedanken, einem verschwommenen Bild. Ich weiß nicht genau warum oder wozu. Ich bringe Dinge auf ungewohnte Weise zusammen. Selbstgemachte Dinge, gefundene Dinge, Natur und Industrieprodukte, Altes und Neues. Ich benutze jedes Medium und jede Technik, welche mir passend erscheinen. Es ist ein Prozess, in den ich mich hineinbegebe. Ich lasse mich inspirieren von Natur, von Literatur, von Mystik, Mythen und Märchen. Ich liebe es einzutauchen in die Bilderwelten und Geschichten anderer. Ich lebe mit der Kunst, ich wohne mit ihr. Ich benutze mich selbst als Modell, meinen weiblichen Körper.  Ich bin Schöpfer und Muse in einem.

Kunst schaffen ist ein Befreiungsakt. Ich löse mich von den Zuschreibungen, der Moral und den bestehenden Ansichten. Ich seziere und werte um. Ich kehre das Innere nach außen und hole es wieder zurück. Ich entblöße mich im wahrsten Sinne des Wortes. Ich mache mir Mut, das zu leben was von selbst aus mir heraus will.

Es gibt also etwas in einem drin, was heraus will, sich in die Welt hinein gebären möchte, etwas, was wahrgenommen werden will. Menschsein heißt Schöpfer sein per Geburt, etwas treibt uns an, die Welt zu verändern, einen Unterschied zu machen. Kunst verleiht die Fähigkeit in jedem Moment, jedem Ding oder Menschen das Einmalige, Einzigartige, Rätselhafte zu sehen. Und die Fähigkeit dieses Einmalige in eine Form zu gießen, die es anderen ermöglicht ebenfalls zu sehen, zu verstehen und inspiriert zu werden.

Kunst ist oft eine schwere Geburt. Um geboren zu werden braucht es Zeit und Geduld und Können und Übung. Der Geburtsakt ist mit Schmerzen verbunden, mit Zweifeln. Dann, wenn die Kunst geboren ist, wenn sie sich ausbreitet, kann sie erschüttern, trösten und Rebellionen auslösen. Die Macht der Kunst ist eine oft unterschätzte. Sie wirkt im Untergrund, im nicht Gewussten und sie wirkt auf unvorhersehbare Weise.

Ich wurde 1961 in Dachau geboren. Mit dem Erbe meiner kriegstraumatisierten Eltern, wie die meisten meiner Generation. Meine Kindheit bestand aus seltsam lichtvollen Ahnungen, durchsichtigen Wesen und einem großen Wald direkt am Haus. Verwurzelt und aufgehoben in der Phantasie, in traumartigen Zuständen und beschützt von Bäumen, Blumen und Flüssen. Ich sehe hier meinen Ursprung, meine Quelle, aus der ich Kunst schaffe.

Ich war bereits 30 Jahre alt als ich an der Kunstakademie Münster zu studieren anfing. Ein Vorteil, wie ich dann feststellte. Ich hatte eine Menge Lebenserfahrung, die ich mit der Quelle meiner Kindheit verbinden konnte. Für mich war es eine neue Welt Dinge festzuhalten, ein Foto, ein Video zu machen, überhaupt etwas in eine Form zu bringen, die außerhalb von mir existiert.

Ich bin davon überzeugt, dass Kunst eine Möglichkeit ist, Liebe und Erkenntnis miteinander zu verbinden. Wir leben in einer Welt, die unfassbare Erkenntnisse errungen hat. Die Wissenschaft, die Technik ist in der Lage Dinge zu schaffen, die jenseits des Vorstellungsvermögens der meisten Menschen liegen. Unser Alltag ist gezeichnet von Vorgängen, die sich der unmittelbaren Wahrnehmung und sinnlicher Erfahrung entziehen. Das künstlerische Schaffen bringt die Liebe für das Leben, die  Wahrnehmung, die Sinne zurück und kann so sinnstiftend wirken.

Seit einigen Jahren lebe ich in Sonthofen der südlichsten Stadt Deutschlands. Die Berge sind nah und es gibt sie noch, die wilde, fast unberührte Natur. Ich bin zurückgekehrt zu meiner ersten Liebe.


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